Dem selbstgesteuerten Lernen liegt ein Lernverständnis zugrunde, welches besagt, dass
Im Kern geht es darum, Vorhandenes im Kind herauslocken und soweit zu ergänzen, dass das Kind gut ausgestattet in die grosse weite Welt wandern kann.
Beim Reflektieren unseres eigenen Lernverhaltens ist für viele leicht erkennbar, dass Lernen dann Sinn ergibt, wenn es im lebensweltlichen Kontext Anwendung findet, oder wenn wir ein Ziel mit dem verbinden, was wir lernen, welches für uns persönlich Sinn ergibt. Das ist bei Kindern nicht anders. Je besser es uns gelingt, Lerninhalte mit dem lebensweltlichen Kontext zu verbinden, umso besser gelingt es uns, Kinder dort abzuholen, wo sie gerade sind.
Damit das Kind selbstgesteuert lernen kann, ist es unabdingbar, dass eine anregende und vielseitige Lernumgebung zur Verfügung gestellt wird. Diese sieht je nach Alter und Entwicklungsstand anders aus. Je jünger das Kind ist, umso mehr liegt der Schwerpunkt auf den lebensweltlichen Lernfeldern. (Bsp. : Angebote, die die Sinne stimulieren, Körper- und Eigenwahrnehmung schulen oder Kinder mit Rollen der Umgebung auseinandersetzen lassen…. usw. ) Je älter die Kinder werden, umso mehr können die Lebensweltlichen Gegebenheiten mit theoretischen Modellen, Lehrmitteln e.t.c. ergänzt und verknüpft werden.
Kinder (Menschen) durchlaufen einen mehrstufigen Aneignungsprozess, wenn sie sich ein Thema erschliessen. Oft sind Kinder bereits mit einem Thema in Berührung gekommen, ohne dass sie sich darüber bewusst sind. Z.B sind Kinder mit Sprache in unterschiedlicher Form im Kontakt, weit früher, als ihnen bewusst ist, dass es Wortarten e.t.c. gibt. Ist die Erfahrung umfassend genug, kann das Kind theoretische Konzepte (wie z.B. die Wortarten) viel leichter aufnehmen und integrieren, als wenn dieser Prozess umgekehrt verläuft. Es ist also hilfreich, wenn Eltern und Lehrpersonen ein tiefes Verständnis darüber haben, wie Kinder lernen und wie dieser mehrstufige Prozess verläuft. Erfahrungsgemäss ist es dann auch leichter, in den individuellen Lernprozess der Kinder zu vertrauen.
Wenn wir Kinder und ihren individuellen Lernprozess beobachten, können wir feststellen, dass sie sich Themen in unterschiedlich schnellem Tempo aneignen. Messen wir die Entwicklung an ihrem eigenen Lernprozess, gewinnen wir Vertrauen, auch wenn es manchmal langsam voran geht. Tappen wir jedoch in die Falle und beginnen das Kind wieder mit anderen zu vergleichen, sind wir sehr stolz, wenn das Kind in einem Thema viel weiter ist, jedoch verunsichert, wenn es in anderen Bereichen langsamer unterwegs ist. Selbstbestimmtes Lernen setzt voraus, dass wir den Lernprozess bezogen auf das jeweilige Kind betrachten (Individualisierung) und es nicht mit andern vergleichen (Gruppenorientierung). Um den Ängsten von Eltern und Lehrpersonen ebenfalls vorzubeugen, gibt es auch die Möglichkeit einer allumfassenden Erfassung des Lernstandes, bezogen auf die gesamte Schulzeit. Dies ermöglicht einen Blick auf das Kind in seiner Gesamtheit, wodurch der Fokus nicht auf dem Detail liegt. Ressourcen werden dadurch besser sichtbar, was Vertrauen und Entspannung bewirkt auf allen Seiten. (3.Kl: Es kann zwar die Reihen noch nicht auswendig, doch turnt es bereits sicher in den Brüchen (5.Kl.) herum.)
Lehrpersonen übernehmen bei selbstbestimmten Lernformen die Rolle als Lernbegleiter und Coach und agieren weniger als Inhaltsvermittler. Die Hauptaufgabe des Lernbegleiters besteht darin, das Kind zu lesen und in seinem Prozess zu begleiten sowie Vorhandenes zu ergänzen. Die Bindung zum Kind (und dessen Eltern) ist daher massgebend wichtig.
Es ist hilfreich, wenn Lernbegleiter sich mit dem Lehrplan 21 vertraut machen, welcher die Ziele vorgibt, welche die Kinder erreichen sollen. Ist ein Lernbegleiter vertraut mit den Anforderungen, fällt es viel leichter, die vom Kind selbst gewählten Aktivitäten in Bezug zum Lehrplan 21 zu bringen und aufzuzeigen, wo das Kind in seinem Lernprozess steht. Beim selbstgesteuerten Lernen überlegen wir also nicht so sehr, was das Kind lernen sollte, sondern reflektieren vielmehr, welche Kompetenzen es sich bei welchen Aktivitäten angeeignet hat. So kann das Kind in seinem Tempo lernen und Bildungsverantwortliche haben trotzdem den Überblick über den Entwicklungsstand.
Fazit: Selbstbestimmtes Lernen bedeutet, dass Kinder selber entscheiden, was sie in welchem Tempo Lernen. Diese Lernform bietet ganz neue Möglichkeiten und setzt (gleichzeitig) voraus, dass die Kinder eine vielfältige Lernumgebung zur Verfügung haben und ihr Entwicklungsprozess individuell betrachtet wird (Kind nicht mit anderen, sondern mit sich selber verglichen wird).
Im nächsten Blog: Erfahre im nächsten Blog, warum Spielen für Kinder so wichtig ist und was echtes Spiel bedeutet